
Vitamin D & Autoimmunerkrankungen: Evidenz und Therapie
Vitamin D ist weit mehr als ein „Knochenvitamin“. Es spielt eine zentrale Rolle für das Immunsystem und wirkt regulierend auf zahlreiche Prozesse des angeborenen und adaptiven Immunsystems. Studien zeigen, dass genetische Veränderungen im Vitamin-D-Rezeptor mit Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, Typ-1-Diabetes oder Lupus assoziiert sind. Auch epidemiologisch fällt auf, dass Autoimmunerkrankungen in nördlicheren Regionen häufiger auftreten – ein Hinweis darauf, dass die verminderte Sonneneinstrahlung und damit ein Mangel an Vitamin D eine Rolle spielen könnten.
Vitamin D, Autoimmunerkrankungen und hochdosierte Therapieansätze
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D das Risiko für Autoimmunerkrankungen tatsächlich senken kann. In einer großen klinischen Studie, die über fünf Jahre lief, nahmen ältere Erwachsene täglich 2000 I.E. Vitamin D ein. Das Ergebnis: Die Häufigkeit neu auftretender Autoimmunerkrankungen sank um rund 22 Prozent. Auch wenn der absolute Nutzen in dieser Studie eher gering war, liefert sie doch einen wichtigen Hinweis auf den präventiven Charakter von Vitamin D. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2025 bestätigt zudem, dass Vitamin D das Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Immunzellen beeinflussen und damit Krankheitsschübe bei Autoimmunerkrankungen reduzieren kann – ohne dass bislang schwerwiegende Nebenwirkungen beschrieben wurden.
Vor diesem Hintergrund entstand das sogenannte Coimbra-Protokoll, ein Therapiekonzept, das vor allem bei schwer verlaufenden Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird. Es beruht auf der Hypothese, dass viele Patienten eine „erworbene Vitamin-D-Resistenz“ entwickeln – etwa durch genetische Faktoren oder durch Blockaden am Vitamin-D-Rezeptor. Um diese Resistenz zu überwinden, setzt das Protokoll auf extrem hohe Vitamin-D-Dosierungen, die oft bei bis zu 1000 I.E. pro Kilogramm Körpergewicht liegen. Die Dosierung wird dabei individuell an den Patienten angepasst, orientiert sich unter anderem am Parathormon-Wert (PTH) und erfordert eine engmaschige medizinische Kontrolle.
Langzeitdaten zeigen, dass diese Therapie unter den richtigen Bedingungen sicher sein kann: In einer Studie mit über 300 Autoimmunpatienten, die im Schnitt mehr als 35.000 I.E. Vitamin D täglich erhielten, blieben Nierenwerte, Kalziumspiegel und Hormonwerte stabil – vorausgesetzt, es wurde auf eine kalziumarme Ernährung und eine hohe Flüssigkeitszufuhr geachtet. Damit gilt das Coimbra-Protokoll für viele Patienten als vielversprechende Ergänzung zur konventionellen Therapie, auch wenn es bislang keine großen, randomisierten Vergleichsstudien gibt.
Der Arzt und Forscher Dr. Dietrich Klinghardt, bekannt für seine integrative Medizin und die Behandlung chronisch kranker Patienten, betont ebenfalls die große Bedeutung von Mikronährstoffen in der modernen Therapie. Auch wenn er das Coimbra-Protokoll nicht ausdrücklich propagiert, verweist er immer wieder auf die Notwendigkeit, Patienten individuell und ganzheitlich zu behandeln und dabei auch die richtige Gabe von Vitaminen einzubeziehen. Vitamin D nimmt dabei einen zentralen Platz ein, gerade bei chronischen Infektionen und Erkrankungen mit Autoimmunbeteiligung.
Trotz aller positiven Ansätze bleibt jedoch wichtig: Hochdosiertes Vitamin D ist kein harmloses „Wellness-Supplement“. Während Dosen bis etwa 10.000 I.E. pro Tag in der Regel als sicher gelten, können sehr hohe Dosierungen bei unsachgemäßer Anwendung zu Hyperkalzämie, Nierenschäden oder Gefäßverkalkungen führen. Das Coimbra-Protokoll darf deshalb ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Vitamin D ist ein entscheidender Regulator für das Immunsystem und kann sowohl präventiv als auch therapeutisch bei Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen. Das Coimbra-Protokoll liefert spannende Hinweise darauf, dass hohe Dosierungen in bestimmten Fällen wirksam und sicher sein können – vorausgesetzt, die Therapie wird verantwortungsvoll durchgeführt. Integrative Ärzte wie Dr. Klinghardt verweisen zudem darauf, dass Vitamin D nur im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts sein volles Potenzial entfalten kann.